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Jutta Kausch-Henken ***
 
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Guten Morgen. Etwas früher als gewohnt, die erste Adventskerze brennt noch nicht, wir befinden uns im Herbst, einem Herbst, der ein heißer sein soll, dem ein kämpferischer Winter und hoffnungsvoller Frühling folgen muss!

Ich bin Jutta Kausch-Henken und begrüße euch herzlich heute hier im Philipp-Scheidemann-Haus zum 32. Bundesweiten Friedensratschlag, den wir unter das Motto gestellt haben: „Widerstand gegen Kriege und Kriegsvorbereitungen – Strategien der Friedensbewegung“.

Auch in diesem Jahr freuen wir uns darüber, dass wir mit mehr als 400 Teilnehmerinnen und Teilnehmern vor Ort rechnen können. Die Plenarsitzungen können darüber hinaus im Livestream verfolgt werden. Und besonders erfreulich: Ein Viertel der Angemeldeten sind zum ersten Mal dabei! Der jährliche Friedensratschlag bleibt das größte Zusammentreffen von Aktiven der Friedensbewegung in unserem Land.

Seid alle herzlich willkommen.

Im vergangenen Jahr war die drohende Stationierung von neuen US- Mittelstreckenwaffen ein zentrales Thema unserer Arbeit. Auf der Demonstration am 29. März in Wiesbaden, bei den Ostermärschen und auf zentralen und dezentralen Aktionstagen haben wir auf die drohende Gefahr durch diese Erstschlags- und Enthauptungswaffen aufmerksam gemacht.

Mittlerweile konnten knapp 90.000 Unterschriften unter den Berliner Appell gesammelt werden. Da das Aufstellen der Raketen im kommenden Jahr hier in Deutschland weiterhin auf der US-Agenda steht, bleibt das Thema aktuell und wir werden weiter sammeln müssen.

Auch für die Beendigung des Ukrainekrieges und gegen die massive Hochrüstung gingen wir in diesem Jahr auf die Straße.

Die großen Demonstrationen gegen den Genozid in Gaza, die trotz immer wieder laut verordneter „Staatsräson“ Massen auf die Straße brachte und die bundesweiten Friedensdemos am 3.10. in Berlin und Stuttgart haben uns in unserem Willen gestärkt, die Anstrengungen für eine friedliche Welt nicht aufzugeben.

Aber die internationale Lage ist bedrohlich wie nie: Die Kriege Israels im Nahen Osten gehen weiter. Der Vernichtungskrieg gegen die Palästinenser ist noch nicht gestoppt. Ein Ende des Ukrainekriegs ist nicht in Sicht. Immer weiter sterben die Menschen in diesem sinnlosen Krieg, der nur durch Diplomatie beendet werden kann, was aber offenbar nicht gewollt ist von denen, die aus diesem Krieg Nutzen und Gewinn ziehen.

Viele weitere Kriege toben in der Welt, in Westasien, Sudan, Venezuela, um nur einige zu nennen.

Wir werden tagtäglich vollgestopft mit der Behauptung, der Russe stehe unmittelbar vorm Brandenburger Tor und nur eine nie dagewesene Aufrüstung und Militarisierung könne uns vor ihm noch retten. Belege? Null. Man muss nichts mehr belegen, behaupten reicht.

Und selbstredend brauchen wir, wenn wir den Verlautbarungen der Regierung glauben, eine kriegsbereite Jugend, die sich mit Hurra zur Verfügung stellt, in den Kampf zu ziehen. Und dass dabei natürlich alle, vor allem die eh schon Benachteiligten, ein bisschen kürzer treten müssen, versteht sich von selbst. Also Sozialausgaben müssen leider massiv gekürzt werden.

Diesen Themen werden wir uns unter anderem in den kommenden zwei Tagen widmen. Wir werden uns auch mit der globalen Umbruchsituation und Entwicklung einer neuen Weltordnung beschäftigen.

Wir werden uns schlau machen über die umfassende Militarisierung, die durch wahnsinnige Aufrüstung und rassistische, nationalistische und repressive Strukturen der herrschenden Politik Kriege und Unterdrückung festschreiben will.

Wir wollen auch darüber beraten, wie wir einen Zusammenhang von Friedensbewegung und Sozialprotesten, Kooperationsmöglichkeiten von Friedensbewegung und Bewegungen zu Umwelt, Klima, Soziales, gegen Kapitalismus, Militär und Krieg herstellen können.

Und am Ende dieser beiden Tage werden wir hoffentlich gestärkt wieder auseinandergehen.

Wir müssen uns verbreitern, müssen den Dialog sowohl mit gesellschaftlich relevanten Kräften als auch mit den vielen schon aktiven Gruppen und Initiativen suchen, um gemeinsam zu einer wirklichen Macht zu werden, die es erreicht, dass der Frieden, die Menschlichkeit und der Erhalt dieses Planeten zur Maxime politischen Handelns wird.

Also ein volles Programm wartet auf uns!

Begonnen haben wir mit Kultur, die im politischen Kampf wichtig ist und die allzu oft als bloßes Beiwerk betrachtet wird. Aber Musik ist mehr, sie verbindet Menschen, sie gibt Hoffnung und im besten Fall Kraft für Aktionen. Deshalb herzlichen Dank an Philipp Hoffmann, der hier in Kassel eine feste Größe auf der Straße ebenso wie auf Veranstaltungen der Friedensbewegung ist und der schon den letzten Ratschlag mit seinem Akkordeon und einem gemeinsamen Gesang der Teilnehmenden beendet hat und ihn nun heute eröffnete.

Unser Dank gilt auch dem Vorbereitungskreis. Er hat sich wie in den Jahren zuvor auch, um Programm und Organisation gekümmert, mit viel Energie, anstrengenden Diskussionen und Verhandlungen. Hervorzuheben möchte ich dabei Willi van Ooyen und Karl-Heinz Peil, die Technikcrew und das Kasseler Friedensforum. Habt Dank für euren Einsatz.

Wir danken auch allen Spenderinnen und Spendern, die die Finanzierung des Ratschlags immer wieder möglich machen. Besonders heute Marianne Bohrer, die in diesem Jahr einen erheblichen Beitrag gespendet hat.

Bevor wir nun beginnen, möchten wir an einige erinnern, die regelmäßig beim Ratschlag dabei waren, mit ihren Ideen und Erfahrungen zu vielen Ratschlägen beigetragen haben und nun für immer fehlen werden.

Wir denken heute in Dankbarkeit an Bernd Meimberg, der im Bundesausschuss seit Anbeginn mitwirkte und ein Motor der Friedensbewegung in Schleswig Holstein war. Bernd verstarb plötzlich und unerwartet am 22. Mai. Er war immer aktiv und kreativ an der Ausgestaltung unserer Ratschläge beteiligt.

Conrad Schuler starb am 25. September diesen Jahres in München. Analytiker mit Schwerpunkt Internationaler Entwicklung hat uns durch seine Beiträge bereichert.

Hans Bohrer verstarb kurz nach unserer „Stopp Ramstein“ Aktion im Juli. Er war an der Unteren Saar aktiv und auch bei zahlreichen Ratschlägen dabei.

Ich bitte nun, euch für diese und die anderen Freundinnen und Freunde, die nicht mehr mit uns zusammen sein können, zu erheben und still zu gedenken.
Danke.

Beginnen wir nun mit dem ersten Plenum. Es wird sich mit großen Herausforderungen für die Friedensbewegung heute beschäftigen, der ungeheuren wahnwitzigen Hochrüstung, ohne Zeit- und Geldlimit, die den wirtschaftlichen Niedergang aufhalten soll, um die immer bedrohlichere Sicherheitslage und Eskalationsgefahr auch in Europa, um den brutalen Genozid in Palästina, der vor den Augen der Welt stattfindet und der deutschen „Staatsräson“, die diesen immer noch in gewisser Weise verteidigt. Und wir stellen uns am Ende die Frage: wie kann es gelingen, die Gewerkschaften in ihrer ganzen Verbandsstruktur von der Notwendigkeit zu überzeugen, dass Kriegswirtschaft kein guter Arbeitsgeber ist.

Dazu haben wir vier ausgesprochen kompetente Menschen auf das Podium gebeten, die uns jeweils mit einem Eingangsreferat in die Themen einführen werden, die dann in anschließenden Workshops vertieft werden können.

Ich stelle euch nun die vier Diskutanten vor:

Ingar Solty,

Referent für Friedens- und Sicherheitspolitik am Institut für Gesellschaftsanalyse der Rosa-Luxemburg-Stiftung, Autor u.a. für die junge welt, Jacobin, Luxemburg, taz und Freitag, also er ist breit gefächert zu finden und er ist marxistischer Theoretiker. Sein letztes Werk lautet: „Die Militarisierung des Alltags, von Wissenschaft und Kultur“.

Sein heutiges Thema lautet: „Innere Zeitenwende, Wirtschaftlicher Niedergang und Kriegskeynesianismus.“

Im IPG, dem Onlineportal der Friedrich-Ebert-Stiftung steht zum Begriff Kriegskeynesianismus: „Im Kern beschreibt der Kriegskeynesianismus eine staatlich gelenkte makroökonomische Politik, die darauf abzielt, die gesamtwirtschaftliche Nachfrage durch höhere Militärausgaben zu steigern.“ Und weiter: „Die Regierung gibt Geld für die militärische Produktion und eine Vielzahl von militärbezogenen Einkommenstransfers aus, wodurch mehr Geld in die Taschen der Menschen fließt und die Nachfrage sowohl nach militärischer als auch nach ziviler Produktion steigt. Diese Konjunkturmaßnahmen tragen dazu bei, die Wirtschaft wieder auf Wachstumskurs zu bringen.“ Aha, die schreiben also, dass damit die Wirtschaft – endlich – wieder in Schwung kommt. Verstehe ich das richtig? Ob das stimmt oder nicht, wird uns Ingar Solty darlegen.

Michael von der Schulenburg

wird mit uns seine Überlegungen teilen, wie wir zu einem Frieden in Europa kommen können und wie dieser aussehen soll und kann. Sein neuestes Buch heißt: „Nie wieder Krieg – die Charta der Vereinten Nationen“. Er weiß, wovon er schreibt:

Michael war die meiste Zeit seines Lebens als Diplomat unterwegs. Und er macht diesem Namen Ehre. Über 34 Jahre in Friedens- und Entwicklungsmissionen für die UN unterwegs, auch kurze Zeit für die OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa), bemühte er sich um Deeskalation, um Wege zu finden AUS den Kriegen. Er war in vielen von Krisen und Kriegen geschüttelten Ländern, seit 1992 in leitender Funktion auf fast allen Kontinenten (es fehlt Australien!) als Assistant-Secretary General.

Nun ist er pensioniert und kämpft unermüdlich als parteiloses Mitglied des Europaparlaments gegen die sich immer stärker manifestierende Militarisierung der europäischen Politik, klar, unermüdlich, mit ganzem Herzen und mit seiner sachlichen Kompetenz.

Helga Baumgarten

Professorin, Politikwissenschaftlerin, sie studierte neben der Poltikwissenschaft auch Soziologie, Geschichte und Arabisch. Ihr Schwerpunkt war und ist der Nahe und mittlere Osten. Sie lebt in Ostjerusalem und wird heute per Zoom zugeschaltet, da sie erkrankt ist und nicht persönlich zu uns kommen kann. An dieser Stelle wünschen wir ihr gute Genesung und viel Kraft.

Im Oktober stellte Helga Baumgarten ihr Buch: „Völkermord in Gaza“ in der Martin-Luther Martin Luther Universität Halle unter scharfen Auflagen vor. Eine politische und rechtliche Analyse, die sie mit Norman Paech verfasst hat.

Im Vorfeld versuchten mehrere Gremien wie die Liberale Hochschulgruppe, das junge Forum der Deutsch-Israelischen Gesellschaft Halle und der Studierendenrat versuchten diese Veranstaltung zu verhindern.

„Martin-Luther-Universität wird Steigbügelhalter antisemitischer Propaganda“, werden die jungen Liberalen zitiert. Und: Die „students for palestine“, die als Unterstützer der Veranstalter fungieren, werden als antisemitische Fratze betitelt. Und im Nachgang knickte die Unileitung dann doch noch vor der „Staatsräson“ ein, indem sie erklärte. „An der Universität Halle ist kein Platz für Veranstaltungen, die einseitig, unwissenschaftlich und gesellschaftlich polarisierend sind. Eine solche war die als Lesung angekündigte Veranstaltung mit Helga Baumgarten am Montag.“

Wer den mittlerweile selbst von der UN-Kommission so benannten Völkermord in Gaza Völkermord nennt, ist unwissenschaftlich und gesellschaftlich polarisierend. Wir sehen auch an diesem Fall, dass der Diskursraum immer enger wird. Wir freuen uns, dass Helga Baumgarten heute – wenn auch nur über Video – bei uns ist.

Als letzte im Eröffnungsplenum freuen wir uns auf

Ulrike Eifler,

im Parteivorstand der LINKEN und Bundessprecherin der BAG Betrieb und Gewerkschaft in der LINKEN; wird uns in die gewerkschaftlichen Debatten um das Thema Frieden einweihen.

Die BAG schreibt in ihrem Selbstverständnis: „Die Arbeit unserer Parlamentsfraktionen ist ohne eine starke außerparlamentarische Bewegung nur halb so wirksam. Aber auch Bewegungen können bei der Durchsetzung ihrer Ziele auf eine Klassenverankerung nicht verzichten.“

Ulrike macht sich stark in außerparlamentarischen Bewegungen. Sie ist auch Mitglied der Initiative „Nie wieder Krieg – die Waffen nieder“, sie bezieht Stellung. Auch in Fragen von Aufrüstung und was das für die soziale Lage im Land bedeutet. Im letzten Jahr hat sie ein Buch herausgegeben: „Den Frieden gewinnen, nicht den Krieg – Zur Rolle der Gewerkschaften in der Friedensbewegung“.
 


 

*** Jutta Kausch-Henken ist im Bundesausschuss Friedensratschlag, in der Berliner Friedenskoordination und in der Initiative ‚Nie wieder Krieg – Die Waffen nieder!‘ aktiv.