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Es ist gut, dass die Proteste gegen den Völkermord an den Palästinenserinnen und Palästinensern nicht nachlassen. Allein in Berlin gingen am 11. Oktober erneut Zehntausende auf die Straße. So auch in Bern in der Schweiz. Hunderttausende waren es erneut in London. In den Tagen zuvor fanden viele lokale Demonstrationen und Aktionen statt. Zu bemerken ist dabei: diese Poteste werden in einem positiven Sinne radikaler. In Berlin rief ein Redner: „Nach zwei Jahren Genozid geht es nicht nur um Frieden, sondern um ein Ende des Apartheids- und Besatzungsregimes“. Gefordert wurde die Anerkennung Palästinas als ein eigenständiger Staat. Vielfach wurde gefordert die ökonomische, politische und insbesondere jede militärische Kumpanei mit dem Netanjahu-Regime sofort einzustellen. Im krassen Gegensatz dazu bleibt die manipulierende Art und Weise der Berichte in den öffentlich-rechtlichen Fernseh- und Rundfunkanstalten.

Diese Fragen waren auch Gegenstand einer Rede von Andreas Grünwald, der in der Initiative ‚Nie wieder Krieg – Die Waffen nieder‘ und außerdem im ‚Hamburger Forum für Völkerverständigung und weltweite Abrüstung‘ akiv ist, auf einer großen Palästina-Solidaritätsdemonstration am 10. Oktober in Hamburg. Wir dokumentieren die Rede hier im Wortlauft:

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Liebe Freundinnen und Freunde,

es ist mir eine Ehre heute bei euch für das „Hamburger Forum für Völkerverständigung und weltweite Abrüstung“ sprechen zu dürfen. Denn seit 2 Jahren erleben wir täglich die furchtbaren Verbrechen der israelischen Regierung gegen die Menschen in Gaza. Einen kaltblütigen, grausamen Völkermord, der mich als Nachkomme jener, die in den Konzentrationslagern der deutschen Nazis ermordet wurden, an die furchtbarsten Jahre der deutschen Geschichte erinnert. Das muss nicht nur mich, sondern alle zum Widerstand herausfordern.

‚Save the Children‘ berichtete letzten Monat, dass Israel in fast 23 Monaten des Genozids pro Stunde mindestens ein Kind ermordet hat. Es sind inzwischen Zehntausende. Ermordet im Kugel- und Bombenhagel, wenn sie sich auf der Suche nach Nahrung befanden.

Das Leid, der Schmerz, den die Palästinenserinnen und Palästinenser erleben müssen, ist größer, als ich es in Worte fassen kann. Aber unsere Wut ist es ebenfalls. Über diese Kindermörder. Über diese Verbrechen. Über die Vergewaltigung palästinensischer Gefangener. Über die gezielten Morde an Journalistinnen und Journalisten und am medizinischen Personal.

Wir müssen hierzulande die Namen derjenigen nennen, die diese Gräueltaten mitzuverantworten haben. Diejenigen, die – auch über den Hamburger Hafen – Waffenlieferungen zuließen und zulassen, diejenigen, die mit diesem verbrecherischen Regime Netanjahu ökonomisch und politisch kooperieren. Zu ihnen gehört auch Bürgermeister Peter Tschentscher, ebenso wie Ex-Außerministerin Annalena Baerbock oder Olaf Scholz bzw. Friedrich Merz.

Während die Ampelkoalition Waffenlieferungen an Israel noch verteidigte, heuchelt die Große Koalition Hilflosigkeit und seichte Kritik. Gleichzeitig werden weiter Waffen im Wert von vielen Millionen Euro geliefert. Rüstungsfirmen haben in den ersten eineinhalb Jahren knapp 500 Millionen Euro eingenommen. Die Ankündigung von Kanzler Merz vom August ist ein Täuschungsmanöver gewesen, denn es flossen und fließen weiterhin Waffen im Wert von vielen Millionen Euro. Die deutsche Politik ist Komplize und Mittäter an diesem Genozid.

Leisten wir weiterhin Widerstand gegen diese Politik!

Auch in Deutschland gingen in den letzten Wochen Hunderttausende auf die Straßen, um Frieden zu fordern und ein Ende dieser Verbrechen. In vielen größeren und kleineren Aktionen. Zuletzt am 3. Oktober. Und trotzdem bin ich unzufrieden. Denn im Angesicht dieser Verbrechen hätte es uns eigentlich gelingen müssen, Millionen von Menschen für die Solidarität mit den Palästinensern zu mobilisieren.

Denn eines ist klar: Ohne massiven Druck können wir von unseren Politikern außer Worten nichts erwarten. Dieser Völkermord kann dauerhaft nur durch Widerstand beendet werden. Durch den Widerstand der Palästinenserinnen und Palästinenser und durch eine Internationale Solidaritätsbewegung, die diese Verbrecher zwingt, ihr Morden sein zu lassen.

Um diesen Widerstand zu verbreitern, müssen wir dieses abgedroschene und verlogene Narrativ überwinden, Deutschland habe aus seiner Geschichte eine moralische Verpflichtung dafür Israel zu unterstützen. Der nebulöse Begriff der „deutschen Staatsräson“ verschleiert. dass es hier nur um die Interessen der Herrschenden geht, Um ihren geopolitischen Einfluss und ihren Profit.

Als jemand, der aus einer Familie kommt, in der Menschen zum Opfer des Mordens in den deutschen Konzentrationslagern der Nazis wurden, sage ich: diese Opfer des Nazi-Terrors würden sich im Grab umdrehen, wenn sie wüssten, dass ihr Leid heute dazu missbraucht wird einen Völkermord zu unterstützen.

Doch wer diese Verlogenheit ablehnt, wird diffamiert und kriminalisiert, zum Antisemiten erklärt. Kanzler Merz vergoss kürzlich in einer Synagoge Tränen über die Verbrechen der Nazis. Von den heutigen Verbrechen, an denen seine Regierung beteiligt ist, kein Wort. Das ist moralischer Bankrott.

Erinnern wir uns: erst letzte Woche wurden über 400 Menschen der Global Sumud Flotilla, darunter auch 19 deutsche Staatsbürger, in internationalen Gewässern vom israelischen Militär entführt. Auf diese Menschen sind wir stolz. Wir sagen: ihr Einsatz darf nicht kriminalisiert oder delegitimiert werden! Genauso wenig wie die Proteste auf den Straßen oder wenn Journalisten anders berichten, als es die Politiker fordern und sie deshalb entlassen werden.

Liebe Freundinnen und Freunde,

Wir freuen uns mit den Menschen in Gaza, dass es jetzt so ausschaut, als wenn es eine Waffenruhe gibt, dass die Bomben in ihren Depots verbleiben. Aber so sehr wir uns darüber freuen, müssen wir wachsam bleiben und unser Protest darf nicht nachlassen. Denn dieser 20-Punkte Plan von Trump birgt die Gefahr in sich, dass damit dieses System der Kolonialisierung, der Unterdrückung von Millionen von Menschen, dauerhaft verstetigt wird. Denn demnach soll den Palästinenserinnen und Palästinensern ein ausländisches Kontrollgremium vor die Nase gesetzt werden, so dass in Gaza über den Leichen der ermordeten Menschen profit-orientiert neu gebaut werden kann. Vollkommen unklar bleibt indes, ob sich die israelische Armee nach einem Austausch von Geiseln und Gefangenen tatsächlich aus dem Gaza-Streifen zurückziehen wird. Ist das nicht der Fall wäre das Ganze nur ein kolonialer Bauplan, um ein freies Palästina zu verhindern und um Netanjahu zu helfen seine Groß-Israel-Fantasien umzusetzen.

Äußerungen des rechten israelischen Finanzministers Bezalel Smotrich wecken Zweifel. Erst gestern schrieb Smotrich auf X, dass er sich »in der Verantwortung« sehe, »dafür zu sorgen, dass Israel unmittelbar nach der Rückkehr der Entführten weiterhin mit aller Kraft für die Ausrottung der Hamas und die Entmilitarisierung des Gazastreifens kämpft, damit dieser keine Bedrohung mehr für Israel darstellt.« Wenn dieser Rassist so was sagt, muss angenommen werden, er meint damit nicht nur die Hamas, sondern die gesamte palästinensische Bevölkerung.

Ein wirklicher Friedensplan, hieße das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenserinnen und Palästinenser endlich anzuerkennen! Das gilt für Gaza genauso wie für die Westbank, auch für Ost-Jerusalem. Es gilt für ganz Palästina.
Wir fordern weiterhin: Freiheit und Frieden für die Palästinenserinnen und Palästinenser, die, wie jedes andere Volk dieser Welt, ein Recht auf Selbstbestimmung haben.

Stattdessen wird jetzt über den Zugang zu Wasser und Nahrung verhandelt. Menschenrechte sind aber nicht verhandelbar. Sie haben überall zu gelten. Für alle Menschen!

In ihrem Zynismus nennen die Politiker das „Sicherheit“. Wir nennen es Besatzung, Kolonialismus und Völkermord – ist dieser Plan nicht mit einem dauerhaften Rückzug der israelischen Armee und einem Ende des Bombenterrors verbunden! Nicht umsonst hat Navanethem Pillay, UN-Kommissarin und ehemalige Richterin am Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag, in Übereinstimmung mit 36 weiteren UN-Experten den 20-Punkte-Plan als Verstoß gegen die Erklärung des Internationalen Gerichtshofs und als Einschränkung der Souveränität des palästinensischen Volkes bezeichnet.
Wir sagen es klar: Es ist nicht die Sache von Blair, Trump oder Netanyahu, über die Zukunft anderer Völker zu entscheiden. Denn Selbstbestimmung ist der fundamentale Baustein für jeden wirklichen Frieden und für die Sicherheit aller Menschen.

Um das durchzusetzen, müssen wir dieses System des Genozids, dieses Apartheid-System weiterhin politisch bekämpfen.
Wir fordern von der Bundesregierung den Stopp des EU-Assoziierungsabkommens, das Ende aller Waffenlieferungen, die Anerkennung Palästinas als einen eigenständigen Staat. Das ist kein Extremismus, sondern das Minimum dessen, was man Gerechtigkeit nennen kann.

Wir sagen weiterhin: Free Palestine! Free Palestine!
Am Fluss genauso wie an der See! Und selbstverständlich auch dazwischen! Free Palestine!

Vielen Dank, dass ich hier heute als Aktiver aus der Hamburger Friedensbewegung sprechen durfte.